Wenn Zuhause ein Ort in der Vergangenheit ist

Vergangenes Wochenende war ich an dem Ort im Norden von Berlin, der einmal mein Zuhause war. So richtig mein Zuhause, meine ich. Außer damals in Barcelona habe ich mich an keinem anderen Ort so zu Hause gefühlt wie dort. Von Anfang an. Ich war an diesem Ort sehr glücklich und habe mich zu 120 % wohlgefühlt. Diesen Ort vor nunmehr fast 2 Jahren zu verlassen, war sehr schmerzhaft für mich. Ein langer Prozess, der bis heute andauert. Aber: Von mir unbemerkt ist etwas passiert. Ich dachte immer, dass ich mich dort sofort wieder Zuhause fühlen würden, wenn ich diesen Ort wieder aufsuche. Nach meinem Besuch vor ein paar Tagen weiß ich: Inzwischen ist das nicht mehr der Fall. Vielmehr hatte ich das Gefühl, in ein abgeschlossenes Kapitel meines Lebens zurückzukehren. Naja … nicht ganz abgeschlossen, irgendwie ist da immer noch so eine Hintertür in meinem Kopf – der Gedanke, wieder zurückzugehen. Dieser Gedanke hat mich in diesen 2 Jahren nicht losgelassen und war immer wieder präsent.

Mein Lieblingswald

2 Jahre sind eine lange Zeit. Zeit, in der sich viel verändert. In der der Abschiedsschmerz, den ich damals so sehr gefühlt habe, nachgelassen hat, sogar fast verschwunden ist. Mit dem Abschiedsschmerz ist aber auch das Gefühl der Vertrautheit gegangen. Ich kenne alles noch … die Waldwege, den Ort, an den verschiedenen Plätzen ploppen in meinem Gedächtnis Erinnerungen an Erlebnisse auf, die ich dort hatte. Die Spaziergänge mit Jamie, sein letztes Jahr dort, Schwimmen im Liepnitzsee, Brötchen holen beim besten Bäcker im Umkreis, Sommerabende auf dem Balkon direkt am Wald, von dem aus ich in den Sternenhimmel geschaut habe. Diese Stille dort am Abend. Ich kenne das alles noch. Aber: Es ist mir nicht mehr vertraut, sondern fremd geworden. Ich wollte das nicht, ich wollte, dass mir dieser Ort vertraut bleibt. In meinem Kopf ist dieses Gefühl noch da. Vielleicht war ich deshalb auch ein wenig enttäuscht, als ich ankam. Weil da so eine Diskrepanz war zwischen dem, was ich erwartet hatte, wie ich mich fühlen würde und dem, wie ich mich dann tatsächlich gefühlt habe.

Liepnitzsee

Zeit heilt Wunden. Einerseits ist das gut. Andererseits nimmt sie aber auch das vertraute Gefühl mit. Das Gefühl, ein Zuhause zu haben. Das Gefühl, an einem Ort verwurzelt zu sein. Diese Verwurzelung findet natürlich nicht von heute auf morgen statt – sie ist ein langer Prozess. Dementsprechend hänge ich gerade in der Luft. Irgendwo zwischen Abschiedsschmerz und neuer Verwurzelung. Das Gefühl, irgendwo zu Hause zu sein, habe ich gerade nicht. Das kostet Kraft. Ganz fremd fühle ich mich aber nach nunmehr 8 Monaten in H. nicht mehr. Man gewöhnt sich an die Dinge, ob man will oder nicht. Bleibt die Frage: Will ich hier überhaupt Wurzeln schlagen? Oder soll ich die zarten Wurzeln wieder kappen – wieder zurück an den oben genannten Ort, dort neue Wurzeln schlagen – oder das an einem ganz neuen Ort tun?

Liepnitzwald

5 Kommentare zu „Wenn Zuhause ein Ort in der Vergangenheit ist

  1. Bin auch schon öfter umgezogen; mir ist zum Beispiel Köln immer noch als Heimat präsent, wo ich als 6- bis 13jähriger gelebt habe. Als 69jähriger fahre ich noch manchmal als Fremder in diese fremde Stadt. Man weiss vieles erst hinterher zu schätzen, wenn es kein Zurück mehr gibt.

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    1. Da stellt sich die Frage, wie man „zurück“ in diesem Fall definiert. An einen Ort zurückziehen kann man jederzeit, wenn man das möchte. Dieses „zurück“ gibt es also. Natürlich ist aber der Lebensabschnitt von damals an diesem Ort vorbei und man muss sich erst wieder neu einleben. Das Zurück in den Lebensabschnitt gibt es also nicht. Die Dinge zu schätzen wusste ich dort schon immer.

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  2. Vielleicht musst Du erst einmal das „Zuhause-Gefühl“ am alten Ort ablegen, um Dich irgendwann an einem Neuen Ort richtig Zuhause fühlen zu können, egal wo der Ort dann sein wird…aber auch das braucht Zeit….🤗
    Ich verstehe sehr gut das Du etwas enttäuscht bist, das sich die Gefühle verändert haben….ich finde es gut, weil es Platz für etwas Neues lässt…

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