Einfach mal die Klappe halten

Leipzig-Innenstadt an einem Tag im Januar. Kalter Wind weht um die Häuserecken. Um eine dieser Ecken kommt mir gerade ein Mann mit einem Hund entgegen. Ich freue mich in mich hinein. Es ist ein Windhund (ich glaube, ein italienisches Windspiel). Die sieht man hier eher selten. Seit Flores (neben all dem Herdenschutzhundkram steckt auch ordentlich Windhund in ihr, vor allem von der Statur her) liebe ich diese Hunde. Sie haben so ein sanftes und sensibles Wesen und sind einfach besonders. Dieser hier, der gerade von seinem Herrchen um die Ecke gezogen wird, macht allerdings keinen sehr glücklichen Eindruck. Mir fällt sofort auf, dass er keinen Mantel trägt. Bei diesen Temperaturen ungewöhnlich – die Hunde haben keinerlei Unterwolle. Und wie ich gerade so diese Gedankengänge verfolge, kommt unmittelbar nach Hund und Herrchen eine Frau mit ihrem Mann um die gleiche Ecke, sieht den Hund und sagt zu ihrem Mann: „So ein hässliches Vieh.“ Bitte was? Gehts eigentlich noch?

Mir schießen Satzfetzen durch den Kopf, die ich der Frau an den Kopf werfen möchte. Dass der Hund mit Sicherheit viel toller und schöner ist als sie. Dass sie eine dumme Tussi ist, weil sie den Hund als „hässlich“ und als „Vieh“ bezeichnet hat. Was so viel mehr über sie als über den Hund aussagt. Doch da ist der Moment schon vorbei und die Frau hat sich samt Mann entfernt. Ich hoffe, dass der Besitzer des Hundes die Aussage der Frau nicht gehört hat. Weil: So etwas kann sehr verletzend sein. Schließlich liebt man seinen Hund. Natürlich muss nicht jeder den Hund schön finden. Aber das muss man dann auch nicht lautstark kundtun. Und schon gar nicht SO.

Wir waren vor einiger Zeit an einem See und unterhielten uns mit einem Hundebesitzerpaar, während Flores mit deren Hund spielte. Plötzlich näherte sich ein Paar mit zwei Hunden, davon einem Windhund. Der Mann, mit dem wir uns unterhielten, machte eine Bemerkung, dass es ja schlimm aussehen würde, dass man die Rippen des Hundes so sehen könne. Mir war das sehr unangenehm. Zum einen ist das bei Windhunden normal, das ist einfach ihr Körperbau. Zum anderen weiß man nicht, ob der Hund nicht gerade erst in seinem neuen Zuhause angekommen ist, vorher in schlechten Verhältnissen gelebt hat und jetzt aufgepäppelt wird. Oder, oder, oder. Man weiß einfach nichts über die Hintergründe. Und sorry, aber dann sollte man einfach mal die Klappe halten. Außerdem: Es geht überhaupt nicht darum, dass ein Hund oder ein anderes Tier schön sein muss. Ich finde, Hunde sind sowieso schön, einfach, weil sie Hunde sind. Und von ihrem Wesen her haben sie so vielen Menschen einiges voraus. Sie urteilen zum Beispiel nicht über das Aussehen anderer.

Ich selbst habe noch nie gehört, dass sich jemand indirekt über Flores‘ Aussehen geäußert hat (eher über das Verhalten, aber das ist eine andere Geschichte). Mir direkt gegenüber gibt es diese Äußerungen allerdings regelmäßig. „Sie ist aber dünn“, „Sie kann aber wirklich noch was zulegen“ … in dieser Art. Ich finde das ziemlich nervig und übergriffig. Anfangs habe ich immer noch erklärt, dass sie ein halber Windhund ist und dass die halt so aussehen. Gesagt, dass sie aber normal viel frisst. Inzwischen sage ich nichts mehr dazu. Zum einen Ohr rein, zum anderen raus. Wenn ich allerdings so einen Satz wie den der Frau über Flores mitbekommen würde, würde ich meinen Unmut wahrscheinlich umgehend kundtun. Wobei … wozu eigentlich? Das kommt bei solchen Menschen ja sowieso nicht an. Eigentlich können die einem nur leidtun, so gestraft, wie sie mit sich selbst sind. Also: Am besten gelassen bleiben und selbst einfach die Klappe halten.

2 Kommentare zu „Einfach mal die Klappe halten

  1. Dieses Urteilen über alles, alles, jede und jeden, ist ein ganz übler „Volkssport“ geworden. Man hat keine Ahnung und gibt seinen Ketchup zu allem dazu. Mal innehalten, nachdenken, hinterfragen, das ist heutzutage schon zu viel. Sobald es ein bisschen komplexer, differenzierter wird, wird abgeschaltet. Das Urteil ist trotzdem fertig, man kann dann so schön „mitreden“ …

    Wirkliche Zwischenmenschlichkeit und sachliche und auch ein wenig niveauvolle Kommunikation gehen in unseren Zeiten immer mehr den Bach runter.

    Lass Dir Deinen Hund nicht irgendwie „zurechtreden“ oder „-urteilen“. Dazu hat niemand ein Recht. Wichtig ist allein, dass Du ihn magst und schätzt, wie er (sie) ist. Du allein kennst sein Wesen und das, was ihn wirklich ausmacht.

    Liebe Grüße an Dich! ✨🌻

    Gefällt 1 Person

    1. Ja, da kann ich dir nur zustimmen. Ich ertappe mich immer wieder dabei, mich zu fragen, warum das wohl so ist. Warum muss man unbedingt über jemanden (ob Mensch oder Tier) urteilen? Kann man ihn oder es nicht einfach mal so sein lassen, wie es ist? Eben weil man in den allermeisten Fällen doch gar nicht weiß, was dahintersteckt, warum etwas oder jemand so ist.

      Speziell in Bezug auf meine Hündin wird oft über ihr Verhalten geurteilt. Weil sie eben mit fremden Menschen nicht gut zurechtkommt und diese anbellt, wenn sie ihr zu nahe kommen. Das ist ihren Erfahrungen und auch ihrer Genetik geschuldet. Das wissen die Menschen natürlich nicht und dann ist es eben der „böse“ oder „blöde“ Hund. Sie wissen nicht, dass sie aus Stress bellt. Das tägliche Spießrutenlaufen sorgt natürlich auch bei mir für Stress. Zum Glück gibt es aber immer wieder auch Menschen, die da sehr tolerant und wohlwollend sind. Für die bin ich dann immer sehr dankbar.

      Danke für deine Worte und liebe Grüße an dich zurück 🙂

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