Manchmal fühlt es sich komplett falsch an, wenn ich mir positive Dinge sage. Es fühlt sich an, als ob ich mich selbst belüge. Bestes Beispiel: die jetzige Situation. Man hört von sämtlichen Seiten, was man daraus alles Positives mitnehmen könne. Sorry, aber das kann ich momentan gar nicht. Es waren so viele tiefgreifende Veränderungen in der letzten Zeit, dass ich mit dem Verarbeiten gar nicht nachgekommen bin. Ja, ich halte mich an die Regeln und ja, ich nehme Rücksicht (letzteres habe ich auch vor Corona schon getan). Trotzdem tue ich mich schwer mit all dem. Ich fühle mich eingesperrt. Ich war durch meine Angsterkrankung in den letzten Jahren ohnehin schon viel eingeschränkter als andere Menschen und hatte mich mühsam Stück für Stück wieder herausgekämpft. Und jetzt? Welcome back Angstsymptome und Panikattacken! Im Supermarkt hatte ich sie schon lange nicht mehr. Jetzt gehe ich wieder mit Schwindelgefühl, Herzrasen und Magenschmerzen zum Einkaufen, und ich muss höllisch aufpassen, dass der Kreislauf aus Angst vor der Angst und Vermeidung der Dinge, in denen ich Panik bekommen könnte, nicht wieder in Gang gesetzt wird.
Ich bin gerade wütend, weil die Dinge, die mir so gut getan haben, nicht mehr erlaubt sind. Zum Beispiel einfach auf einer Parkbank oder Wiese zu sitzen und die Sonne zu genießen. Ganz viel Zeit draußen zu verbringen, jetzt, wo endlich der Frühling da ist und es wärmer wird. Ich finde es anstrengend, dass man nicht mehr mit anderen Hundebesitzern reden darf. Dass man ständig darauf achten muss, den Abstand zu wahren, macht die Spaziergänge hier im Viertel, wo plötzlich aus Mangel an Alternativen jeder spazierengeht, sehr mühsam. Dass man nicht mehr nach außerhalb an den See fahren darf, ohne ein saftiges Bußgeld zu riskieren (obwohl man sich da besser aus dem Weg gehen kann als hier in der Stadt … diese Logik muss man nicht verstehen). Ich bin traurig und wütend, dass ich meine Familie Ostern nicht sehen kann und vermutlich auch die Geburtstagsfamilienfeier von meinem Papa, auf die ich mich so gefreut hatte, ins Wasser fällt. Genauso wie meine kleine Auszeit an der Ostsee. Nein, ich habe nicht plötzlich ganz viel Zeit. Und nein, ich fühle mich auch nicht entschleunigt, sondern durch all das verdammt gestresst. Ich vermisse es, mich mit lieben Menschen zu treffen.
Ich habe überlegt, ob ich das alles überhaupt hier aufschreiben soll. Weil ich mich ja grundsätzlich schon lieber auf positive Dinge konzentrieren will. Aber: auch die negativen Gefühle gehören dazu. Und davon sind in der jetzigen Situation bei mir mehr als genug vorhanden. Und wenn sie da sind, will ich sie nicht mehr runterschlucken, sondern rauslassen. Das habe ich früher nie getan. Vor allem hatte ich zusätzlich immer noch ein schlechtes Gewissen, weil ich dachte, ich darf mich nicht so fühlen, weil es ja anderen noch schlechter geht etc. Seit ich aber zumindest meine negativen Gefühle akzeptiere, geht es mir etwas besser. „All feelings are valid“ – das habe ich neulich irgendwo bei Instagram gelesen. Und da stimme ich vollkommen zu. Man muss nicht immer „stark“ sein und alles mit links wegstecken. Man darf wütend und traurig sein und jammern – und sich dann wieder Dingen zuwenden, die einen aufbauen und Kraft geben. Schritt für Schritt. Und wenn das dauert, dann ist das eben so. Ich habe diesbezüglich bei anderen Menschen sehr viel Verständnis – und mir würde es nicht einfallen, deren Gefühle ins Lächerliche zu ziehen oder nicht ernst zu nehmen, wenn sie mir erzählen, dass es ihnen nicht gut geht. Weil ich selbst weiß, wie es sich anfühlt, wenn man auf Unverständnis stößt. „All feelings are valid“. Ich weiß, dass ich mich irgendwann auch wieder besser fühlen werde. Und bis dahin ist es ok wie ich mich jetzt fühle.

Schön und wahr geschrieben! Im Übrigen ist dies hier Dein Refugium, hier darfst Du, so weit wie Du das möchtest, ganz Du sein. Es gibt so wenige Orte, wo das noch möglich ist.
Die Zeit jetzt ist besonders schwer. Ich empfinde das auch so.
Deshalb und überhaupt wünsche ich Dir immer wieder Momente, die Dir gut tun, die Deine Ängste nich so tragend sein lassen. Bleib, bitte, gesund!
Schöne Grüße an Dich! (Die Fotos gefallen mir sehr – der See scheint mir ein kleines Paradies zu sein …)
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Danke 🙂 Du hast recht, es gibt wenige Orte, wo man noch ganz man selbst sein kann. Gerade, wenn es um das Ausdrücken von negativen Gefühlen geht. Ich finde das alles andere als einfach und es war auch ganz ungewohnt, in meinem Post darüber zu schreiben. Im „normalen Leben“ bekommt man dann schonmal die Ansage, dass man doch bitteschön positiver sein soll. Aber jeder geht eben anders mit der Situation um und da fände ich es schön, wenn das nicht pauschal verurteilt, sondern mit mehr Verständnis reagiert werden würde.
Lieben Dank für deine Wünsche! Ich wünsche dir auch, dass du gut durch diese schwierige Zeit kommst, die Ostertage ein bisschen genißen kannst – und natürlich, dass du gesund bleibst!
Danke 🙂 Ja, der See (das ist der Werbeliner See nördlich von Leipzig) ist sehr schön, man kann sich dort wunderbar vom Stadttrubel erholen. Ich hatte bisher noch nicht so viel Zeit, mich ausführlich auf deiner Seite umzuschauen, aber ich habe gelesen, dass du an der Ostsee wohnst. Darf ich fragen, in welcher Ecke? Ich habe mal 5 Jahre in Greifswald gewohnt und es war einfach toll, die Ostsee direkt vor der Tür zu haben.
Liebe Grüße!
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Ich lebe nun schon seit vielen Jahren in jener Hansestadt, die ziemlich genau zwischen Rostock und Lübeck gelegen und wohl besonders für ihre vielen Backsteinkirchen und ihre Schwedenaffinität bekannt ist.
In Greifswald war ich mal (das muss aber auch schon um die 10 Jahre her sein), um ein Seminar zu halten, habe aber von der Stadt leider so gut wie nichts sehen können.
In Leipzig haben meine Großeltern mal gewohnt und mein erstes Studium habe ich dort 5 jahre lang absolviert …
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Wenn Du Dich auf meiner Seite umschaust, dann wirst Du dort nicht nur Schönes finden. Ich schreibe das, damit Du vorsichtig bist, Dich nicht etwa von manchen Einträgen runterziehen lässt. Ich verarbeite des Öfteren allerlei „inneren Müll“ in meinen Einträgen. Meine Seele macht es mir und anderen nicht leicht …
Ja, das wollte ich Dir doch schreiben, ich habe hier schon erfahren, dass Du ein sehr sensibler Mensch bist, und ich möchte nicht, dass Dir etwas weh tut oder schadet.
Deine Seite hier mag ich sehr …
Viele liebe Grüße an Dich!
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Ich denke, ich weiß, welche Hansestadt du meinst … allerdings kenne ich sie nur vom Namen her. In Rostock war ich während der Zeit in Greifswald oft und mochte die Stadt aus welchem Grund auch immer sehr viel lieber als Greifswald. Ansonsten war ich oft auf Usedom – wenn ich hinfahre, fühlt sich das bis heute wie Nachhausekommen an.
Danke, ich finde es sehr umsichtig und empathisch von dir, dass du mich darauf hinweist. Aber mach dir da keine Gedanken, okay? Wirklich nicht. 🙂 Dass die eigene Seele es einem und anderen nicht leicht macht kenne ich auch sehr gut. Aber genau dann ist es wichtig, darüber zu sprechen/zu schreiben – wenn einem das hilft.
Viele liebe Grüße zurück an dich!
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